When in London do as the Londoners do – Jaja, schon klar. Aber welcher Teutone kann schon mit Fish&Chips, Bangers&Mash und Steak&Ale Pie auf Dauer glücklich werden? Auch den Beef-Burgern ist ja seit neustem kaum noch zu trauen.
Herman ze German an Charing Cross
alle fotos dieses Artikels (c) Martin herzog 2013
So sehr sich der kulturbewusste Weltbürger auch vorgenommen haben mag, die landestypische Küche zu umarmen (oder im Fall UK zumindest die kulinarischen Errungenschaften aus kolonialen Tagen) – es kommt die Zeit, da erwischt er sich dabei, wie er sich hinter dem Bahnhof Charing Cross herumdrückt, als stehe er vor einem Pornoladen; wie er, den Kragen hochgeschlagen, nervös die Viliers Street auf und ab patroulliert; bis ihn seine Füße schließlich wie ferngesteuert in die Räumlichkeiten von Herman ze German tragen, vorbei an den deutschen Touris, die schon bei einem Wochenendtrip nicht auf deutsche basse cuisine verzichten können, um an der Theke eine Currywurst zu bestellen, und zwar mit Pommes. Nicht Chips. Nicht French Fries. Nein, Pommes!
Ja, ich gestehe hier und jetzt und in aller Freiheit: Mehrfach schon in meiner Londoner Zeit habe ich dieses Etablissement aufgesucht, um mich ihr hinzugeben: der Lust an der Wurst. Und mehr noch: Ich werde es wieder tun! Hier stehe ich, ich kann nicht anders.
Die Versuchung ist groß – und inzwischen überall in London. Neben Herman ze German steht eine ganze Reihe von Oasen germanischer Schnellküchen-Kultur zur Auswahl: Kurz&Lang am Smithfield Market, The Wurst Club im Finanzviertel, sowie diverse Brauhäuser, die neben Haxen mit Knödeln auch die Berliner oder die Ruhrpott-Variante des deutschen Nationalgerichts auf der Speisekarte führen. Mit der Präsenz der vielen deutschen Ex-Pats in London allein ist das nicht zu erklären. Die Lust an dieser Art Wurstigkeit der Deutschen hat – wenn vielleicht auch nicht die Engländer insgesamt – so offenbar doch die Londoner gepackt.
Was liegt also näher, als den ultimativen Currywurst-Test anzugehen? In lockerer Reihe werde ich in der kommenden Zeit die genannten Wurstbratereien aufsuchen, Verlockungen der Speisekarte wie Hot Dog mit Sauerkraut und andere angelsächsische Verhunzungen deutscher Esskultur gekonnt übersehen, um jenes unvergleichliche Amalgam aus deutscher (Wurst), chinesischer (Ketchup), indischer (Currypulver) und belgischer (Pommes) Küchentradition zu verkosten, und das Ergebnis dieses selbstlosen Selbstversuches an dieser Stelle dazulegen.
Die Bewertungskriterien werden sich dabei auf das direkte geschmackliche Umfeld der gereichten Speise beschränken: Wurst, Soße, Pommes, fertig. Beim Lieblingsgericht der Deutschen handelt es sich um Street Food, wie das neudeutsch heißt. Niemand erwartet Damast-Servietten, Meissner Porzellan und Kerzenschein. Auch Stühle/Hocker sind in diesem Zusammenhang überbewertet. Ja mehr noch, recht eigentlich gehört es zur wesenhaften Essenz der Currywurst, im Stehen gegessen zu werden. Dennoch darf die Wurst appetitlich aussehen, denn das Auge… Sie wissen schon.
Beginnen wollen wir mit Londons jüngsten Neuzugang in Sachen Wurstbraterei: Anfang des Jahres eröffnete unweit der Bank of England The Wurst Club. so lenke ich an einem Freitagnachmittag meine Schritte in das kleine Ladenlokal in der City. Es ist kurz vor Vier, die jungen Damen hinter der Theke sind bereits beim Saubermachen, gleich wird zugesperrt. Aber, klar, eine Currywurst geht noch. Pommes dabei? Kein Problem, die Friteuse wird noch einmal angeworfen. Für Service gibt’s jetzt schon mal ein Sternchen.
Auf der Speisekarte steht Original Berliner Currywurst. „Kommt tatsächlich aus Berlin“, sagt Anna, die auch aus Berlin kommt. In London studiert sie und jobbt hier nebenbei. Sie ist eine von 10 Mitarbeitern, zwei davon fest, erzählt sie, während sie die Pommes ins heiße Fett hängt. Fast alle Mitarbeiter seien Deutsche, abgesehen vom Besitzer – der ist Italiener. „Hat aber 12 Jahre in Würzburg gelebt.“ Das nennt man wohl Globalisierung. Die Wurst stammt natürlich aus artgerechter Haltung, nachhaltig und Bio und so. Darauf lege der Chef großen Wert.
Trotz aller Nachhaltigkeit machen die Damen aus den zahlreichen umliegenden Büros und Banken wohl meist einen Bogen um die deutsche Wurst, und biegen zum Lunch eher in einen der Sushiläden, oder eine der Ketten, die mit gaaanz gesunder Kost werben. Hauptkundschaft hier sind daher die Herrn Anzugträger, darunter viele Deutsche – mit ihren englischen Kollegen im Schlepptau. Zur Mittagspause zwischen 12 und 2 sei jeden Tag landunter, dann kämen sie kaum noch nach mit der Wurstbraterei. Stammkunden gebe es auch schon, darunter einen, der tatsächlich jeden Tag hier seine Bratwurst im Brötchen isst. Die gesamte Fensterfront dient als Stehtheke, „aber die wenigsten essen hier, das meiste, was wir verkaufen, ist Take Away,“ sagt Anna.
Wurst und Soße sind hervorragend, der Behälter, in dem beides serviert wird, weniger.
Leider kommt auch die Wurst in einem zwar mitnahmefreundlichen, aber ästhetisch eher unvorteilhaften Behältnis, einer Art großen Suppenbecher, wie man sie aus dem Asia-Imbiss kennt. Die einzelnen Wurststücke müssen mittels wackeliger Plastikgabel aus der Soße exhumiert werden, was den Spaß am Verzehr deutlich trübt. Dabei sind beide vorzüglich: Wurst wie Soße, letztere aus hauseigener Herstellung, wie die Speisekarte stolz vermeldet.
Das zweite Sternchen gibt es für die angebotenen Röstzwiebeln, die – Lukullus sei’s geklagt – selbst an deutschen Currywurstständen immer noch nicht zum allgemeinen Standard gehören. Die dazu gereichten Pommes sind makellos: nicht zu dick, nicht zu dünn, und goldgelb knusprig. Letzteres wiederum macht das Aufspießen mit der Plastikgabel zur Herausforderung.
In der Getränkeabteilung lässt sich der Wurst Club ebenfalls aus Deutschland beliefern: Fritz Kola, Fritz Limo und Karamalz, sowie alkoholisch Warsteiner (natürlich nur aus der Flasche). In Summa kommt man mit Getränk auf rund 7 Pfund, was für Londoner Schnellimbiss-Verhältnisse Durchschnitt ist (die hiesigen Pubs bieten mittags auch schon mal Burger mit Chips und Pint zum Kampfpreis von 5 Pfund an. Alles, was sich gesund schimpft, geht eher gegen 8-9 Pfund).
Demnächst soll in der oberen Etage ein Verkaufsraum für deutsche Produkte entstehen, erzählt Anna während ich die letzten Frittenkrümel aus der Pappschale zusammenkratze. „Das wird dann zur Anlaufstelle für all das, was es hier nicht zu kaufen gibt und der Deutsche vermisst.“
Na, vielleicht muss ich ja meine geliebten Spreewaldgurken bald nicht mehr durch den Trick beziehen, dass ich sie meinen Besuchern aus Deutschland als Pflichtgeschenk verordne, sondern kaufe sie über dem Wurst Club. Und wenn man einmal schon da ist…
THE WURST CLUB LTD., 56-57 Cornhill, London EC3V 3PD, Phone: +44 20 728 380 08
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